Intervall: IM RAUM MIT_ (Teil 1) / ANNETT ZINSMEISTER: URBAN SHELTER (Teil 2)
Fotocredit
Annett Zinsmeister: Urban Shelter?. Kuratiert von section.a. Visual: Karl Anders.

Annett Zinsmeister: Urban Shelter?

30.09.2016

Verhandelte die vorherige Ausstellung „Im Raum mit_“ die künstlerische Aneignung von Raum an sich, so steht in der Einzelausstellung der Künstlerin Annett Zinsmeister die Geschichte, Bedeutung und Vergänglichkeit von Schutzräumen im Vordergrund. Mit Installationen, Projektionen und Interventionen bringt die Künstlerin elementare Aspekte und Spuren aus der Vergangenheit und Gegenwart des ehemaligen Hochbunkers zum Vorschein und verbindet diese mit der höchst aktuellen Frage: Wie gestaltet sich Schutz heute? Die Frage nach dem Schutz von Zivilpersonen im urbanen Raum ist heute aktueller denn je. Wurden die ersten Behausungen und Stadtgründungen auch als Abwehr vor Angriffen erbaut, so kann aufgrund der technologischen, virtuellen Entwicklungen im 20. / 21. Jahrhundert die Architektur und die Stadt dieser elementaren Aufgabe kaum noch gerecht werden. Veräußerung, Privatisierung und Umwandlung von ehemaligen Schutzbunkern ist eine Reaktion auf ihre verlorene, ursprüngliche Funktion.

 

Das Gebäude, in dem sich BNKR befindet, ein 1943 gebauter Hochbunker in der Münchner Ungererstrasse, ist prädestiniert, um die Frage nach Schutz und Schutzräumen von unterschiedlichen Seiten zu beleuchten. Schutz ist hier als bauliche Masse existent und erlebbar, steht aber zugleich für ein vergangenes Konzept von Schutz. In der zeitgenössischen Transformation des Bunkers mit seiner neuen Nutzung und seiner Ausrichtung als Kunstraum wird ein Spannungsfeld aufgebaut, das zwischen Erinnern und Vergessen, zwischen Vergangenheit und Zukunft oszilliert.

Mittels installativer Elemente, virtueller Raumöffnungen sowie Wand- und Bodenprojektionen teilt Annett Zinsmeister die zwei Ebenen des Ausstellungsraumes in zeitlich unterschiedliche Zonen. Das Untergeschoss thematisiert die Vergangenheit des Bunkers und fokussiert Themen wie Krieg, Bedrohung und Zerstörung, aber auch Hoffnung und Zukunftsvisionen: Projektionen einer Genealogie von Städten als Schutzräume werden mit Entwürfen von Idealstädten und utopischen Stadtvisionen überlagert. Darüber hinaus nimmt die Künstlerin Bezug auf Umrüstungen in der Nachkriegszeit zu ABC-tauglichen Schutzbunkern bei denen auch Sandfilter zum Einsatz kamen. Sand als Träger von Geschichte (Sedimentschichten) und als konkretes Material für den Bau der Bunker bereitet hier buchstäblich den Boden für das Zusammenspiel von Form und Inhalt. Im Erdgeschoss leitet die Künstlerin in die Gegenwart des Bunkers über. Die Architektur wird als transformierte Geschichte in ihrer gegenwärtigen Erscheinung genauer in den Blick genommen. Das Wechselspiel zwischen Modernisierung und historischen Spuren, die in die baulichen Massen eingeschrieben sind, tritt in den Vordergrund. Raum-in-Raum-Installationen aus Detailaufnahmen bieten einen neuen Zugang zu diesem ungewöhnlichen Ort, indem sie die Eigenheit der Bunkerarchitektur reflektieren, spiegeln und transformieren: analytisch, ästhetisch, perspektivisch, illusorisch.

KünstlerInnen
Annett Zinsmeister

Annett Zinsmeister (*1967) studierte Kunst, Architektur, Kultur- und Medienwissenschaft. 2003 erfolgte der Ruf zur Professorin für Kunst, Gestaltung, konzeptuelles Entwerfen und interdisziplinäre Theorie. Ihre Werke wurden mit Preisen ausgezeichnet und in zahlreichen Magazinen, Fachzeitschriften, Katalogen, Fachbüchern publiziert. Sie sind weltweit in Gruppen- und Einzelausstellungen zu sehen und in öffentlichen und privaten Sammlungen u.a in der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages zu Berlin und im MoMA – Museum of Modern Art in New York vertreten. Schnittstellen von Kunst und Architektur, Utopien und Transformationen von Raum und Alltagsgegenständen sind zentrale Themen, die Annett Zinsmeister in ihren künstlerischen Arbeiten neu verhandelt. In Form von Rauminstallationen, Fotografien, Zeichnungen, Collagen, Film und Texten eröffnet die Künstlerin neue Perspektiven und ungeahnte Potentiale hinsichtlich unwirtlicher und verlassener Orte und initiiert Prozesse urbaner Interventionen und Transformationen.

KuratorInnen
section.a

Das Kurator_innen-Kollektiv section.a aus Wien, das mit der Konzeption der ersten mehrteiligen Ausstellung „Im Raum mit_“ einen Grundstein für die inhaltliche Ausrichtung des Kunstraum BNKR für 2016 gelegt hat, wurde auch für die Kuratierung der aktuellen Ausstellung „Urban Shelter?“ von Annett Zinsmeister eingeladen. Katharina Boesch, Christine Haupt-Stummer, Andreas Krištof und Viktoria Pontoni -das Kernteam von section.a.- arbeiten seit 2001 an der Schnittstelle von Wirtschaft, Kunst und Design. Für Unternehmen ebenso wie für Kunst- und Wissenschafts-institutionen wie etwa die Biennale di Venezia, Kunsthalle arlberg1800, das Austrian Cultural Forum London, das Museum Ludwig Köln, das MAK – Wien und das Pinchuk Art Center KIEV konzipieren und realisieren sie Ausstellungen, Kunstprojekte im öffentlichen Raum, Museumskonzepte, Bildwelten und Publikationen.