Die Innenwelt der Außenwelt
25.04.2015
Eine Präsentation von künstlerischen Aneignungen und Kollaborationen, die im Rahmen des Projektes BUNGALOW GERMANIA – dem deutschen Beitrag der 14. Internationalen Architekturbiennale Venedig 2014 – und der damit verbundenen Recherche entstanden sind. Im Rahmen der Ausstellung in München werden Arbeiten von Quinn Latimer, William Forsythe, Armin Linke, Bas Princen, Kaufmann&Gehring und Ciriacidis Lehnerer Architekten vorgestellt.
Das Folgeprojekt „Die Innenwelt der Aussenwelt“ zum deutschen Beitrag der 14. Internationalen Architektur-Ausstellung – la Biennale di Venezia 2014, BUNGALOW GERMANIA, nimmt inhaltlich die ursprüngliche Fragestellung nach dem haptisch erfahrbaren Zugang zur Geschichte eines Landes über die nationale Architektur auf. Ein Diskurs parallel zur Präsentation im Pavillon, konnte 2014 in Venedig nur zum Teil realisiert werden. Mit der Ausstellung in München wird er wieder aufgenommen und weitergeführt. Die Kunstwerke dienen in Inhalt und Präsentation als Ausgangspunkt, um den im Rahmen von BUNGALOW GERMANIA bereits angestoßenen Dialog über die Kommunikationsfähigkeit von Architektur, die Verbindung von Geschichte und Architektur, über verschiedene Arten von Repräsentation, sowie Architektur im medialen Transfer fortzuführen. Der Ausstellungstitel ist angelehnt an die literarischen Erkundungsfahrten, die der Schriftsteller Peter Handke unter dem Titel „Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt“ 1969 veröffentlichte.
Für Kuration und Konzeption der interdisziplinären Ausstellung zeichnen die Kunsthistorikerin Sandra Oehy (Managing Curator Bungalow Germania, ETH Zürich) und der Architekt Alex Lehnerer (Generalkommissar Bungalow Germania, Professor an der ETH Zürich) verantwortlich. Gemeinsam mit Savvas Ciriacidis (Generalkommissar Bungalow Germania) haben sie Bungalow Germania kuratiert. Im Münchener Kunstraum BNKR, der sich in einem ehemaligen Hochbunker befindet, stellen Oehy und Lehnerer sechs künstlerische Positionen aus den Bereichen Performance, Literatur, Fotografie, Film und Architektur vor.
Ein spezieller Dank gebührt dem Goethe-Institut, im Rahmen dessen Programmreihe „Performing Architecture“ der Choreograph William Forsythe eigens für Bungalow Germania die Arbeit „Birds, Bonn 1964“ (2014) entwickelte, sowie der Wüstenrot Stiftung, im Rahmen deren Engagement für ein vorbereitendes Symposium zu Bungalow Germania im Frühjahr 2014 die Aufnahmen von Armin Linke entstanden. Weiter danken wir Prof. Dr. Gert de Bruyn (Universität Stuttgart) für die Anregung zum Titel der Ausstellung.
William Forsythe (*1949) gilt als einer der führenden Choreografen weltweit. Seine Werke sind dafür bekannt, die Praxis des Balletts aus der Identifikation mit dem klassischen Repertoire gelöst und zu einer dynamischen Kunstform des 21. Jahrhunderts transformiert zu haben. Forsythes tiefgreifendes Interesse an organisatorischen Grundprinzipien hat ihn dazu geführt, ein breites Spektrum von Projekten in den Bereichen Installation, Film und internetbasierte Wissensentwicklung zu realisieren. Forsythe wuchs in New York auf und begann seine Ausbildung bei Nolan Dingman und Christa Long in Florida. Er tanzte mit dem Joffrey Ballet und später mit dem Stuttgarter Ballett, dessen Hauschoreograf er 1976 wurde. In den folgenden sieben Jahren schuf er neue Werke für das Stuttgarter Ensemble und Ballett-Kompanien in München, Den Haag, London, Basel, Berlin, Frankfurt am Main, Paris, New York und San Francisco. 1984 begann seine 20-jährige Tätigkeit als Direktor des Ballett Frankfurt, mit dem er Arbeiten wie „Artifact“ (1984), „Impressing the Czar“ (1988), „Kammer/Kammer“ (2000) und „Decreation“ (2003) schuf. Nach der Auflösung dieser Companie im Jahr 2004 formierte Forsythe ein neues, unabhängiges Ensemble: The Forsythe Company GmbH mit festen Spielstätten in Dresden, Frankfurt am Main und internationalen Gastspielen. Es entstanden Werke wie „Three Atmospheric Studies“ (2005), „Sider“ (2011) und „Yes we can’t“ (2008/2010). Forsythes jüngste Werke werden ausschließlich von dieser Kompanie entwickelt und aufgeführt, ältere Werke befinden sich im Repertoire der Ballettensembles weltweit. Forsythe und sein Ensemble haben u.a. folgende Auszeichnungen erhalten: den New Yorker Tanz- und Performance „Bessie“ Award (1988, 1998, 2004, 2007) sowie den Laurence Olivier Award der Stadt London (1992, 1999, 2009). In 1999 wurde Forsythe von der französischen Regierung zum Commandeur des Arts et Lettres ernannt. Darüber hinaus wurden ihm das Bundesverdienstkreuz (1997), der Wexner Prize (2002), der Goldene Löwe (2010) und der Samuel H Scripps / American Dance Festival Award for Lifetime Achievement (2012) verliehen. Er hat Architektur/Performance-Installationen als Auftragswerke für den Architekten/Künstler Daniel Libeskind (Groningen, 1989), ARTANGEL (London, 1997), Creative Time (New York, 2005) und die SKD – Staatliche Kunstsammlungen Dresden (2013, 2014) entwickelt. Seine Performance-, Film- und Installations-Arbeiten werden in zahlreichen Museen und Ausstellungen gezeigt, u.a. auf der Whitney-Biennale (New York, 1997), Festival d’Avignon (2005, 2011), Louvre Museum (2006), Pinakothek der Moderne (München, 2006), 21_21 Design Sight (Tokyo, 2007), Wexner Center for the Arts (Columbus, 2009), Tate Modern (London, 2009), MoMA (New York, 2010), ICA Boston (2011), und der Biennale von Venedig (2005, 2009, 2012, 2014). William Forsythe wird regelmäßig eingeladen, an Universitäten und kulturellen Einrichtungen Vorträge zu halten und Workshops zu leiten. 2002 war er ein Gründungs-Mentor im Bereich Tanz der Rolex Mentor and Protégé Arts Initiative. Forsythe ist Ehrenmitglied des Laban Centre for Movement and Dance in London und Ehrendoktor der Juilliard School in New York. Fernerhin ist Forsythe derzeit ein A.D. White Professor-at-Large an der Cornell University (2009-2015) und ab Herbst 2015 Professor of Dance und Künstlerischer Berater des Choreographischen Instituts an der University of Southern California Glorya Kaufman School of Dance. Ab Herbst 2015 ist er zudem als beratender Choreograph des Balletts der Pariser Oper tätig.
Die beiden Schweizer Filmemacher Tobias Kaufmann (*1976) und Dominik Gehring (*1979) haben bereits während ihres Kunststudiums im Fachbereich Video an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Luzern (HSLU) durch das Medium des bewegten Bildes zu einer engen Zusammenarbeit gefunden. In ihrem künstlerischen Schaffen sind Kaufmann&Gehring auf der Suche nach Aufnahmen, Sinnbildern, Abbildern und Darstellungen, die auf einer tieferen Wahrnehmungsebene funktionieren. Sensibel und virtuos montieren sie ihre Beobachtungen in einer essayistisch reflektierten Weise zu subtil poetischen Bildern. Es entstehen hierdurch Filme, Installationen, Stills und Klangwelten, die in einer vielschichtigen Weise dem Betrachter einen erweiterten Wirklichkeitsbegriff anbieten. Ihre Videoarbeiten wurden im Rahmen von Ausstellungen und Screenings unter anderem in folgenden Institutionen präsentiert: Museum Centro Nacional de Arte Reina Sofia Madrid, The Gallery of Slovak Union of Visual Arts SL, Vision du Réel Nyon, Image de Movement Geneva, Images Le Festival d`arts visuels de Vevey, Kirchner Museum Davos, O.T. Raum für aktuelle Kunst Luzern, Stiftung Brasilea Basel, Kornhausforum Bern, Kunstpanorama Luzern, Zurich Film Festival, Kurzfilmtage Winterthur, Shnit International Shortfilmfestival, Video Ex Zürich, Chäslager Stans, Turmmuseum Schwyz, Riff Raff Zürich, Burbaki Kino Luzern, Kino Kunstmuseum Bern, Theater Luzern UG, National Arthouse Movie Theaters. 2005 erhielten sie das Stipendium Mind Migration, Kulturaustausch Bratislava SL und 2012 das Kunststipendiums des Kanton Zug (New York Atelier).
Als Fotograf und Filmemacher kombiniert Armin Linke (*1966) eine Reihe von zeitgenössischen Bildverarbeitungstechnologien, wodurch die Grenzen zwischen Fiktion und Wahrheit verschwimmen oder unsichtbar werden. Seine künstlerische Praxis erforscht verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit fotografischen Archiven und deren Manifestationen sowie mit den Verbindungen und transformativen Kräften zwischen urbanen, architektonischen oder räumlichen Verwendungen und den Menschen, die mit diesem Umfeld interagieren. Durch die Arbeit mit seinem eigenen Archiv wie mit anderen historischen Archiven fordert Linke die Konventionen fotografischer Praxis heraus, wobei Fragen dazu wie Fotografie installiert und ausgestellt wird für ihn von großer Bedeutung sind. Wenn der Künstler in einem kollektiven Ansatz, zusammen mit anderen Künstlern, Designern, Architekten, Historikern und Kuratoren die Rolle des Ausstellungsmachers übernimmt, werden Narrative auf verschiedenen diskursiven Ebenen gesucht. Er war Research Affiliate am Visual Arts Program des MIT in Cambridge, Gastprofessor an der Fakultät für Kunst und Design der Università IUAV di Venezia und ist momentan Professor an der HfG Karlsruhe. Im Rahmen von Einzelausstellungen wurde sein Werk unter anderem in folgenden Institutionen präsentiert: MAXXI, Rom (2010), Museum für Gegenwartskunst Siegen (2009). Gruppenausstellungen (Auswahl): Haus der Kulturen der Welt, Berlin (2013-ongoing); Moscow Biennale of Contemporary Art + Haus der Kunst, München (2011); Tate Modern, London + International Architecture Biennale, Rotterdam (2010); Bienal de São Paulo (2008). Preise: 9. Biennale di Architettura, Venezia + Graz Architecture Film Festival.
Bas Princen (*1972) lebt und arbeitet als Künstler und Fotograf in Rotterdam und Singapur. Nach einer Ausbildung als Industrial Designer an der Design Academy Eindhoven, studierte er Architektur am Berlage Institute in Rotterdam. Seit dieser Zeit fokussiert sich seine Arbeit durch die Linse der Fotografie auf die urbane Landschaft in Transformation um die unterschiedlichen Formen, Ergebnisse, Folgen und Vorstellungswelten eines sich stetig verändernden urbanen Raumes zu untersuchen. In jüngster Zeit wurden seine Werke unter anderem in folgenden Ausstellungen präsentiert: „Constructing Worlds“ in der Barbican Art Gallery, London 2014; „Room of Peace“ in der Arsenale Ausstellung „Monditalia“, auf der 14. Internationalen Architektur Ausstellung – la Biennale di Venezia 2014; Reservoir, deSingel Antwerp 2011; Five Cities, Depo, Istanbul 2010; Refuge, Storefront for Art and Architecture NY 2010; Invisible frontier, AUT, Innsbruck 2008; Nature as Artifice, Kroller Muller Museum, Otterloo and Aperture Foundation, New York 2009; Spectacular City, Nai, Rotterdam, 2006; sowie an der Venedig Biennale für Architektur in den Jahren 2004, 2006, 2010 and 2012. Im Mai 2004 erschien sein erstes Buch „Artificial Arcadia“ bei 010 Publishers; weitere Monographien sind unter anderem „Rotterdam“ von Witte de With Publishers 2007; „Galleria Naturale“ für Linea di Confine, Rubierra 2008, „Five Cities Portfolio“ von SUN Publishers 2009 und „Reservoir“ von Hatje Cantz 2011. 2004 gewann Bas Princen den „Charlotte Kohler Prize for promising young artists and architects in the Netherlands“ und an der Venedig Biennale für Architektur 2010 wurde er mit dem silbernen Löwen ausgezeichnet für seine kollaborative Arbeit mit Office Kersten Geers David van Severen.
CiriacidisLehnerer ist ein in Zürich ansässiges Architekturbüro und wird von Savvas Ciriacidis und Alex Lehnerer geleitet. In ihren Projekten versuchen sie, Architektur als kulturelle Praxis zu begreifen. Neben Bauprojekten und städtebaulichen Planungen unterrichten und forschen beide an der ETH Zürich und an der Hochschule Luzern. Diese Verbindung aus Praxis, Forschung und Lehre ist elementarer Bestandteil ihrer Arbeit, welche international publiziert und mit Preisen ausgezeichnet ist. Alex Lehnerer, geboren 1974 in Erlangen, ist seit 2012 Assistenzprofessor für Architektur und Städtebau am Departement Architektur der ETH Zürich, wo er zwischen 2012 und 2014 mit seinem Team in Singapur und Südostasien forschte. Von 2008 bis 2012 unterrichtete er als Professor an der University of Illinois in Chicago. Er promovierte zuvor an der ETH Zürich und graduierte an der University of California in Los Angeles (UCLA). Savvas Ciriacidis, geboren 1975 in Stuttgart, ist seit seinem Studium an der ETH Zürich als praktischer Architekt in Zürich tätig und hat zwischen 2006 und 2013 an der Professur für Architektur und Entwurf Prof. Christian Kerez an der ETH Zürich geforscht und unterrichtet. Alex Lehnerer und Savas Ciriacidis sind die Generalkommissare von BUNGALOW GERMANIA, dem deutschen Beitrag an der 14. Internationalen Architektur-Ausstellung La Biennale di Venezia 2014, den sie gemeinsam mit der Kunsthistorikerin und Lehrstuhlmitarbeiterin Sandra Oehy (Managing Curator & Projektleitung) kuratierten.
Sandra Oehy studierte Kunstgeschichte, Politikwissenschaften und Soziologie an der Universität Zürich (MA / Lic. phil.). Als Forscherin und Ausstellungsmacherin arbeitet sie seit mehreren Jahren an Projekten mit einem Fokus auf die Schnittstellen von Praxis und Theorie im Bereich von Kunst, Design und Architektur. 2016 kuratierte sie «Incidental Space» mit dem Architekten Christian Kerez, für den Schweizer Pavillon der Architektur-Biennale Venedig. 2014 war sie Projektleiterin und Co-Kuratorin des deutschen Beitrag «Bungalow Germania» an der 14. Architekturbiennale Venedig. Von 2010 bis 2013 war sie Co-Direktorin des Kunstraums Van Horbourg für zeitgenössische Kunst in Basel und Zürich. Zurzeit doziert sie an der Zürcher Hochschule der Künste und der Universität Zürich. An der Universität Stuttgart untersucht sie im Rahmen eines Forschungsprojekts die Rolle der Zeitschrift ARCH+ im (deutschsprachigen) Architekturdiskurs seit 1968.