Intervall: STOP MAKING SENSE, IT'S AS GOOD AS IT GETS.
Fotocredit
Do Things – eine Ausstellung von Something Fantastic (22.06.-29.10.2017) / Background: Rio de Janeiro, 2014, Left image: Rio das Pedras, 2013, Right Image: Bench, German Pavilion 15th Biennale di Venezia, Venice, 2016 © Something Fantastic except right image © Zara Pfeiler.

Do Things – eine Ausstellung von Something Fantastic

23.06.2017

‚Do Things‘ ist eine stete Sammlung von Sachen, die a) von Something Fantastic gemacht sind, b) schön sind, c) in Rio de Janeiro gefunden wurden, d) Teil des akademischen Kanons sind, e) kopiert sind, f) von Borges stammen, g) noch keinen Namen haben, h) nicht gestaltet aussehen, i) in sich Ideen für eine bessere Zukunft tragen, j) einfach sind, k) inspirieren.  – Something Fantastic, 2017

 

Mit diesem kurzem Manifest übernimmt das Berliner Architekturbüro Something Fantastic nicht nur die Form der fiktiven, chinesischen Enzyklopädie von Jorge Luis Borges*, sondern demonstriert bereits, was ihre Praxis ausmacht: die Zukunft mit dem Vorhandenen und Verfügbaren zu gestalten, dessen vielfältige Möglichkeiten aber noch im Verborgenen verharren, da sie über die bisher denkbaren Ordnungssysteme und Kategorisierungen hinausreichen. Für ihre Forschungen verlassen Something Fantastic das sichere Feld der klassischen Architektur, um – wie der Philosoph Michel Foucault, der Borges Enzyklopädie in Die Ordnung der Dinge zitiert – einen Raum für das Heterogene und nicht mehr eindeutig Klassifizierbare zu erzeugen. Der befreiende Weg, den Something Fantastic einschlagen, liegt in ihrem generellen Interesse an der Welt und der Überzeugung, dass alles die Architektur beeinflusst und sie sich umgekehrt auf alles auswirkt, gepaart mit ihrem Glauben, dass ein Bewusstsein für Schönheit die Welt verbessern kann. Sie reisen als Anthropologen der Gegenwart durch die Welt, fotografieren und archivieren architektonische Momente, die das Zusammenspiel aus Materialität und Atmosphäre in den Mittelpunkt rücken. Und so wie Anthropologen ’schreiben‘ Something Fantastic alles auf, verharren aber nicht im Interpretieren und Ordnen des Gesehenen, sondern setzen das Vorhandene und doch Fremde in das Vertraute, um Schönheit hervorzubringen. Diese, so ihre Überzeugung, kann die Welt verändern, die Zukunft gestalten und die Menschen glücklicher machen.

 

Do Things kann wortwörtlich als Anleitung dafür verstanden werden: Die Ausstellung zeigt nebeneinander und ohne erkennbares Ordnungssystem Fotoprints, Fototapeten, digitale Bilder und Objekte von dem, was Something Fantastic gesehen, und dem, was sie auf Basis des Gesehenen als Architekturbüro umgesetzt haben. Input und Output überlagern sich dabei in einem wilden Kompendium von Ideen, Inspirationen und Lösungen. Dazu gehört aber nicht nur das Gesehene, sondern auch das Gelesene. Something Fantastic stellen erstmals ihr neues Projekt Replica Books vor, ein Verlag, der vergriffene Bücher, die für die Welt weiterhin verfügbar sein sollen, auf schlichte und preiswerte Weise nachdruckt.

 

 * Jorge Luis Borges chinesische Enzyklopädie a) Tiere, die dem Kaiser gehören, b) einbalsamierte Tiere, c) gezähmte, d) Milchschweine, e) Sirenen, f) Fabeltiere, g) herrenlose Hunde, h) in diese Gruppierung gehörige, i) die sich wie Tolle gebärden, k) die mit einem ganz feinen Pinsel aus Kamelhaar gezeichnet sind, l) und so weiter, m) die den Wasserkrug zerbrochen haben, n) die von weitem wie Fliegen aussehen 

– Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge, 12. Auflage, Frankfurt am Main 1994, 17

KünstlerInnen
Something Fantastic

Something Fantastic wurde von den Architekten Leonard Streich, Julian Schubert und Elena Schütz gegründet. Die Idee, dass Architektur direkt mit allem anderen zusammenhängt, und die daraus folgende Forderung, ein breites Interesse an der Welt zu pflegen und sich universell einzubringen, sind die Basis ihrer Arbeit. Das Büro arbeitet im erweiterten Feld der Architektur und des Bauens, und strebt Veränderung durch die Planung und Realisierung kluger, berührender, einfacher, prototypischer Projekte an. Ihre Arbeit umfasst Pilot-Projekte für kommunales Wohnen in Flandern, das Buch „Something Fantastic“, seit 2015 die visuelle Identität von Artek, die Modeschauen von Perret Schaad, die Hängeleuchte „Crystal“ für New Tendency, die Gestaltung des Deutschen Pavillions auf der 15.Biennale di Venezia, die Art Direktion der Bücher von Ruby Press unter anderem der Publikationen für 51N4E, Lacaton & Vassal und Pier Vittorio Aureli. Schütz, Schubert und Streich lehren den Master of Advanced Studies im Bereich Städtebau am Lehrstuhl von Marc Angélil der ETH Zürich mit einem Fokus auf dynamische Stadtentwicklungen. Andere Forschungs- und Lehrprojekte beinhalten Kollaborationen mit Harvard University und Yokohama GSA. Sie halten regelmässig Vorträge und Gastkritiken. Something Fantastic stellte auf den Biennalen in Venedig, Sao Paulo und Shenzhen ebenso wie in Museen wie dem Museo de Arte do Rio (MAR) und dem Museum of Modern Art (MoMA) aus. Das Architekturbüro ist sowohl für den Iakov Chernikov Preis als auch den Marcus Preis nominiert worden und „Reasons for Walling a House“, „Building Brazil“ sowie „City of God“ haben Buchpreise gewonnen. 2017 erscheint die Publikation „Cairo Desert Cities“.

KuratorInnen
Ludwig Engel

Ludwig Engel ist Zukunftsforscher und Urbanist. Zusammen mit einem dichten Netzwerk von Mitarbeitern reicht seine postdisziplinäre Praxis von Lehren, Forschen, Kuratieren, Schreiben, Publizieren über die Organisation von Workshops, Konferenzen, Diskursplattformen bis hin zur Beratung von Unternehmen und öffentlichen Institutionen zu den Auswirkungen von Zukünften und Utopien auf die Gestaltungsfähigkeit der Gesellschaft und morgen besser gestalten. Zusammen mit Julian Schubert / Something Fantastic leitet er das Studio for Immediate Spaces am Sandberg Instituut in Amsterdam und lehrt am Institut für Design und Architektur (Lehrstuhl: Prof. Arno Brandlhuber) am Departement Architektur (DARCH), ETH Zürich .

Joanna Kamm