Zukunft vs. Gegenwart – Armen Avanessian und Hannes Grassegger
26.04.2017
Ein Gespräch zwischen Armen Avanessian und Hannes Grassegger, moderiert von Ludwig Engel.
Mit „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“ veröffentlichte der Ökonom Hannes Grassegger kurz nach dem Wahlsieg Donald Trumps eine bis heute international heiß diskutierte Reportage, in der er zusammen mit Ko-Autor Mikael Krogerus und dem Mathematiker Paul-Olivier Dehaye die Fähigkeiten der Firma Cambridge Analytica aufdeckte, Menschen anhand ihres Facebook-Verhaltens minutiös zu analysieren und mit Big Data zum Triumph des Milliardärs in den USA beigetragen zu haben. Zeitgleich zu Grasseggers Recherchen lag der der Philosoph Armen Avanessian in Miami am Strand und bearbeitete die Idee einer Gegenwartstheorie, die eben genau in der von Grassegger beschriebenen Datenflut ihre lineare Zeitlichkeit verliert. In seinem kurze Zeit später veröffentlichten Buch „Miamification“ (Merve, 2017) hält er dazu fest: „Wenn das Wissen um die Zukunft in die Gegenwart eingeführt wird – die gegenwärtig gewusste Zukunft als ein Teil in das Ganze der zukünftigen Gegenwart –, entstehen neue Optionen.“ Im Rahmen von Stop making sense, it’s as good as it gets. begegnen sich beide Autoren das erste Mal persönlich: Linke Theorie trifft auf investigativen Neoliberalismus, um aus gegensätzlichen Positionen über den Einfluss von Big Data, Algorithmen und Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Individuum und Gesellschaft zu streiten.
Armen Avanessian, geboren 1973 in Wien, studierte Philosophie, Politische Wissenschaften und Literatur in Wien und Paris. Von 2007 bis 2014 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich "Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste" und als Lehrbeauftragter am Peter Szondi Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der FU Berlin. Seit 2013 lehrt er als Gastdozent an verschiedenen Kunstakademien (Nürnberg, Wien, Basel, Kopenhagen, Kalifornien). Seine Forschungsschwerpunkte sind Ästhetik und Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts.
Der Schweizer Ökonom und Enthüllungsjournalist Hannes Grassegger deckt digitale Machtstrukturen auf. Seine Recherchen zeigten, wie Facebook weltweit Posts zensiert, der US-Wahlkampf digital beeinflusst wurde und Staaten versteckte Digitalkriege führen. Mit einem Bericht für Das Magazin (Zürich) startete Grassegger die Diskussion um Cambridge Analytica. SeineRecherchen zu Facebooks Wahlbeeinflussungen und der Kampagne gegen George Soros wurden international viel diskutiert. Grasseggers Reportagen erscheinen ua.im Guardian, ProPublica, der Süddeutschen Zeitung und The New Republic und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Als Experte zu Social Media und Digitalisierung ist Grassegger in zahlreichen Medien aufgetreten, darunter CNN, BBC, Al-Jazeera, Canal+, ZDF, Deutschlandradio, SRF und viele anderen.
Ludwig Engel ist Zukunftsforscher und Urbanist. Zusammen mit einem dichten Netzwerk von Mitarbeitern reicht seine postdisziplinäre Praxis von Lehren, Forschen, Kuratieren, Schreiben, Publizieren über die Organisation von Workshops, Konferenzen, Diskursplattformen bis hin zur Beratung von Unternehmen und öffentlichen Institutionen zu den Auswirkungen von Zukünften und Utopien auf die Gestaltungsfähigkeit der Gesellschaft und morgen besser gestalten. Zusammen mit Julian Schubert / Something Fantastic leitet er das Studio for Immediate Spaces am Sandberg Instituut in Amsterdam und lehrt am Institut für Design und Architektur (Lehrstuhl: Prof. Arno Brandlhuber) am Departement Architektur (DARCH), ETH Zürich .