Intervall: THE ARCHITECTURE OF
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Archivwand Hochbunker Ungererstrasse. Recherche Madeleine Freund. Design: Parat. ”The Architecture of Deception”, BNKR München. Fotografie: Dominik Gigler.

Verborgene Geschichten / Hidden Narratives

11.09.2021

Die Paneldiskussion Verborgene Geschichten / Hidden Narratives im Vorhoelzer Forum der TU München findet im Rahmen der BNKR-Ausstellungs-Trilogie THE ARCHITECTURE OF statt. Jede der drei Ausstellungen im Kunstraum BNKR bezieht sich dabei auf unterschiedliche Kapitel der wechselhaften Geschichte des Ausstellungsgebäudes, welches ursprünglich als Luftschutzbunker im 2. Weltkrieg errichtet wurde, dann in den Nachkriegsjahren als Internierungslager der Alliierten genutzt wurde und schließlich vor einigen Jahren in ein Wohn- und Bürohaus mit dem integrierten Kunstraum BNKR transformiert wurde. Die in den Ausstellungen gezeigten künstlerischen Positionen an der Schnittstelle von Kunst und Architektur stehen jeweils in direktem Bezug zum Gebäude und laden den Besucher dazu ein, über „verborgene Geschichten“ zu reflektieren. Die KünstlerInnen Nadia Kaabi-Linke und The Swan Collective (Felix Kraus) werden direkt über die Konzeption ihrer ortsspezifischen Installationen berichten während Madeleine Freund Einblicke in die spannende Historie des Luftschutzbunkers in München gibt. Die Paneldiskussion wird von einem der beiden Kuratoren der Ausstellungstrilogie, Till Fellrath, moderiert.

In Modulor I zeichnet Nadia Kaabi-Linke (*1978 in Tunis, lebt und arbeitet in Berlin und Kiew) die Dimensionen von Gefängniszellen nach, die in unterschiedlichen Anstalten weltweit zur Einzelhaft verwendet werden. Ohne es zu bemerken, werden die Besucher unmittelbar ein Teil der Installation, in dem sie sich beim Betreten des Ausstellungsraumes innerhalb der imaginären Zellen befinden. Der Titel der Arbeit bezieht sich direkt auf Le Corbusier’s Modulor und seiner Vorstellung von der Rationalisierung des Raumes und dessen optimaler Form. Durch die Überlappung der Linien, welche die Umrissmaße der Zellen abbilden, entsteht eine abstrakte, geometrische Raumzeichnung. Die beengte Architektur des Ausstellungsraumes, und der versperrte Blick nach draußen verweisen zusätzlich auf die Lebensbedingungen der Häftlinge. Durch die Hinweise auf die Ortsbezeichnungen der jeweiligen Gefängnisse bietet die Installation einen Überblick unterschiedlicher Haftbedingungen und visualisiert zugleich eindrücklich die Architektur des Gefangenseins.

 

Die Virtual Reality-Filme des Berliner The Swan Collective, initiiert von Felix Kraus, der an der Akademie in München studierte, wurden auf zahlreichen Filmfestivals wie LOOP (Barcelona), dem Toronto New Wave Film Festival und 2020 beim Sundance Film Festival (Utah) gezeigt. Ihre VR- und Mixed-Media-Installationen wurden in verschiedenen Institutionen präsentiert, darunter im KINDL-Zentrum für zeitgenössische Kunst (Berlin), im Kunstmuseum (Stuttgart) und im Centro Cultural Banco do Brasil (São Paulo). Für BNKR präsentieren sie eine Mixed-Media-Installation, die Elemente der physischen Realität des Kunstraums mit der virtuellen Welt des Films kombiniert, um den Betrachter auf eine Reise in sein Inneres zu entführen.

 

Madeleine Freund ist Kunsthistorikerin, freie Kuratorin und Autorin. Sie promoviert an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz zum Begriff „Körperpolitik" in der Performance- und Medienkunst seit den 1960er Jahren und ist Researcher am VALIE EXPORT Center Linz. Für die Ausstellungstrilogie "The Architecture of" im BNKR, München (2020–2021) arbeitet sie als Wissenschaftliche und Kuratorische Assistenz zusammen mit Art Reoriented. Sie veröffentlicht regelmäßig Aufsätze und Artikel in Publikationen und Kunstmagazinen wie Parnass und gallerytalk.net.

 

Sam Bardaouil und Till Fellrath sind Gründer und Leiter von Art Reoriented in München und New York. Sie sind Kuratoren der Lyon Biennale 2022 und Affiliate-Kuratoren am Gropius Bau in Berlin. Bardaouil und Fellrath gründeten Art Reoriented 2009 als multidisziplinäre, kuratorische Plattform, um traditionelle Modelle kulturellen Engagements zu überdenken. Im Zentrum ihrer Arbeit steht die Inklusivität künstlerischer und institutioneller Praktiken sowie ein revisionistischer Ansatz zur Kunstgeschichte. Die Verschiedenartigkeit ihres kulturellen und akademischen Hintergrunds bereichert ihr inhärent kollaboratives Modell. Bardaouil, geboren im Libanon, hat einen MFA in Advanced Theatre Practice und einen Doktortitel in Kunstgeschichte, und Fellrath, geboren in Deutschland, hat zwei Master-Abschlüsse in Wirtschafts- und Politikwissenschaften. Die kuratorische Praxis von Bardaouil und Fellrath ist sowohl in der globalen zeitgenössischen Kunst als auch im Bereich der klassischen Moderne verwurzelt.