Intervall: STOP MAKING SENSE, IT'S AS GOOD AS IT GETS.
Fotocredit
Imaginary Display(s) – Ausstellung als Film / Film als Ausstellung (02.05.-09.05.18), „Borrowed Body“ (09.05.18) von Richard John Jones und Camilla Wills, BNKR München. Fotografie: Dominik Gigler.

Imaginary Display(s) – Ausstellung als Film / Film als Ausstellung

02.05.2018

All das, was normalerweise vor dem Blick der Zuschauer verborgen bleibt, wird in Imaginary Display(s) präsentiert: Über den Zeitraum von einer Woche können Besucher dem gleichzeitigen Entstehungsprozess einer Ausstellung und der Produktion eines Films beiwohnen: Prozesse des Drehs, der Montage und der Postproduktion (Filmmusik etc.) werden ebenso ‚ausgestellt‘, wie die Ausstellung selbst zum Schauplatz des Films wird.

 

Jeder der teilnehmenden Künstler wird an jeweils einem Tag seine künstlerische Arbeit installieren, aufbauen, vorbereiten oder proben. Dadurch wird ein Prozess in Gang gesetzt, aus dem unkontrollierbare Situationen entstehen, die die Ausstellung jeden Tag aufs Neue in andere unvorhersehbare Bahnen lenkt. Klaus vom Bruch bringt am ersten Tag (2. Mai) eine von ihm gestaltete Found-Footage-Tapete im Raum an. Die Handlung wird gefilmt. Der Raum wird zu einem anderen: Ein (Film-) Set entsteht. Das Szenario nimmt seinen Lauf, setzt sich am nächsten Tag (3. Mai) fort. Der Videokünstler An Laphan filmt ein spekulatives Szenario der Ausstellung als Film, die Besucher werden damit Teil der Ausstellung und des Films. Am dritten Tag (4. Mai) hängt Philipp Gufler seine bedruckten Stoffschichtungen im Raum. Darin probt er seine Abendperformance „Jäcki ist für Jackis“; eine Lesung aus seinem Künstlerbuch Indirekte Berührung. Der vierte Tag (5. Mai) fügt der sich wandelnden Ausstellung und des sich darin entwickelnden Films ein weiteres Moment hinzu – der Prozess des Filmdrehs der letzten Tage wird selbst ausgestellt. Kalas Liebfried gestaltet am fünften Tag (6. Mai) eine ortsspezifische Soundarbeit, die zum Soundtrack des Films wird. Am sechsten Tag (7. Mai) wird eine Doppelung inszeniert: Jeanne-Marie Varain präsentiert ihren Film im gerade entstehenden Film. Romain Gandolphe nimmt den Betrachter am siebten Tag (8. Mai) mit zu einer ‚erzählten Ausstellung‘, eine Oral History, die im Prozess von „Imaginary Display(s)“ wiederum Realität wird. Am letzten Tag (9. Mai) bereiten Richard John Jones und Camilla Wills eine Live-Karaoke Performance vor – die Potentialität einer Finissage und/oder eines Openings fallen zusammen.

 

„Imaginary Display(s)“ hat im Grunde keinen Anfang und kein Ende, denn die Ausstellung und der Film markieren viele verschiedene Fiktionen und Momente, die keinem Narrativ folgen, sondern ein (Nach-) oder (Vor-) Denken eines Narrativs zum Thema haben. „Imaginary Display(s)“ ist der Höhepunkt des Langzeitfilmprojekts Ausstellung als Film / Film als Ausstellung von Marie-France Rafael und An Laphan. Über die Laufzeit von Stop making sense, it’s as good as it gets. wurde mit kontinuierlichen Veränderungen der Erzählperspektiven und -strategien immer wieder zur filmischen Erfahrbarkeit der einzelnen Veranstaltungen des Programms Stellung genommen. In den acht Tagen von „Imaginary Display(s)“ wird dieses absurde Differenzgefälle zwischen Abbildung und Situation auf die Spitze getrieben.

 

„Imaginary Display(s)“ wird nicht zuletzt auch der Titel des Films sein, der in „Ausstellung als Film / Film als Ausstellung“ entsteht: Denn Ausstellung und Film sind untrennbar miteinander verbunden und behandeln beide – in ihrem jeweiligen Medium – die inhärente Spannung von Sichtbarem und Unsichtbarem bzw. Präsentation und Repräsentation.

KünstlerInnen
Klaus vom Bruch

Klaus vom Bruch ist ein deutscher Medienkünstler. Von 1975 bis 1976 studierte er Conceptual Art am California Institute of the Arts Valencia bei John Baldessari und Bruce Nauman. 1984 stellte er bei der Biennale Venedig aus und 1987 auf der documenta 8 Kassel. Von 1992 bis 1998 übernahm er eine Professur für Medienkunst an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe, von 1999 bis 2018 eine Professur für Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München. 2000 war er Gastprofessor an der Columbia University New York.

Romain Gandolphe

Romain Gandolphe studierte Wissenschaften, ehe er die Lyon National Fine-Arts School absolvierte, wo er jetzt Forscher im Rahmen der Post-Performance-Future group ist. Gandolphe setzt sich in seinen Sprechperformances und seiner Performance-Kunst an sich mit Erinnerung und Storytelling auseinander. Er hat zuletzt im MNAM Centre Pompidou und der Fondation d’entreprise Ricard in Paris performt. Gruppenausstellungen u.a. ‚I am not Tino Sehgal‘ bei Nahmad Projects in London. Seine erste Einzelausstellung fand 2017 bei La BF15 in Lyon statt.

Philipp Gufler

Philipp Gufler lebt in München und Amsterdam. Sein Werk erstreckt sich über verschiedene Medien (Siebdrucke, Performances, Videoinstallationen, Künstlerbücher u.a.). Gufler studierte an der Akademie der Bildenden Künste München und der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Von 2015–2017 war er Teilnehmer am Residenz-Programm „De Ateliers“ in Amsterdam und von 2014–2015 Komiteemitglied in der Lothringer13_Florida, einem Kunstraum der Stadt München. Einzelausstellungen u.a. „Setz dein Ich in Anführungsstriche“ im Kunstverein Göttingen (2016), „Zirkeltraum“ und „Een gebeuren“ in der Galerie Françoise Heitsch in München (2014, 2016), „I Wanna Give You Devotion“ in der Platform München (2017), sowie „Romankreisen“ in der Galerie BQ  Berlin (2017). Gruppenausstellungen u.a. im Kunstmuseum Bonn (2015), im Lenbachhaus München (2016), und im De Appel Art Center in Amsterdam (2016). Gufler ist seit 2013 Mitglied im Archiv forum homosexualität münchen e.V.

Richard John Jones

Richard John Johnes ist Absolvent des Central Saint Martins London und des Sandberg Instituut Amsterdam. Bis 2012 war er Co-Director von Auto Italia South East, London. Johnes Arbeit setzt sich mit der Interaktion zwischen visuellen Formen von Repräsentation / Abstraktion und politischen Formen der Anerkennung und Marginalisation auseinander. Zentral in seinem Werk sind Performances – eine kritische Auseinandersetzung mit ihrer Dokumentation – die seine Verwendung von Stoffen, Druck, handwerklichen Techniken, Video und Installationen leiten. Seine Arbeiten wurden u.a. gezeigt im Irish Museum of Modern Art (IMMA) Dublin, Museum of Modern Art Medellin (MAMM), EYE Film Museum Amsterdam, Rond Point Projects Room Marseille, SPACE London und auf der Gwangju Biennial in Kollaboration mit AA Bronson. Er ist derzeit ein Resident im IMMA Freud Project Residency Dublin.

An Laphan

An Laphan (geb. 1990 in Landshut) ist ein deutscher Bewegtbildkünstler und Assemblagist vietnamesischer Herkunft, der zwischen München und Karlsruhe arbeitet. Er studiert seit 2010 Medienkunst an der Akademie der Bildenden Künste München unter Prof. Klaus vom Bruch, unter dem er 2016 zum Meisterschüler ernannt wurde. Zudem ist er Teilnehmer der Projektklasse Prof. Julian Rosefeldt. Im Zuge des Austauschprogramms der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe erhielt er 2014 das Stipendium des Kultusministeriums Baden-Württemberg. Er wurde in seiner Zeit dort von Prof. Isaac Julien in Videokunst und von Prof. Razvan Radulescu in Filmtheorie und Drehbuch betreut. Zu den Interessensgebieten seiner Arbeiten zählen Bildfetischismus, die Zerlegung von rituellen Vorgängen und die Untersuchung des Artefakts. Sein Hauptaugenmerk liegt jedoch auf der Darstellung von Schwellenzuständen: Zwischenbereiche, die Erwähnungslücke zwischen zwei benennbaren Dingen, die Türschwelle zwischen Karte und Gebiet. Seine Arbeiten enthalten häufig die Kartographierung eines Körpers (sei er tatsächlich oder metaphorisch) als Mittel, um einen gegenwärtigen Zustand benennbar zu machen und um ihn in Entwicklungs- oder Zerfallsprozesse einordnen zu können.

Kalas Liebfried

Kalas Liebfried hat einen Studienabschluss in Philosophie der LMU München und studierte Bildhauerei und zeitbasierte Medien bei Stephan Huber, Alexandra Bircken und Julian Rosefeldt an der Akademie der Bildenden Künste München. Seine narrativen Arbeiten bewegen sich zwischen Video, Sound, Skulptur und Performance. Ihren prozessualen und inhaltlichen Ausgangspunkt nehmen sie stets in der Aneignung, (De-)Codierung und Montage von Found Footage. Grundmotive sind die Erforschung und Sichtbarmachung von Spuren des Unbewussten, von transitorischen Zuständen und Zwischenräumen des Medialen, sowie das dem menschlichen Körper anhaftende Ephemere. Gruppenausstellungen u.a. im Kunstverein München, auf der Sluice Biennial 2017 London und im Rahmen der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen.

Jeanne-Marie CC Varain

Jeanne-Marie CC Varain lebt und arbeitet in Schiphorst, studierte Freie Kunst an der HbK Braunschweig und Raumstrategien an der Muthesius Kunsthochschule Kiel. Seit der Gründung des Networking Labels AGF spirit mit dem Künstlerduo Muerbe u. Droege im Jahr 2015 ist die Aktion, das Happening und die soziale Plastik kein Retro-Gedanke mehr, sondern treibende Kraft und Inhalt ihrer Kunst. Mit Aktionen wie „AVANTGARDE is HAPPENING“, „Kinder an die Macht“, „Sleep-in Performance“, „RÉSIDENCE FRANCE“ und dem Aktionsraum CoC-Collection of Collectors wird die Avantgarde auf dem Land gefördert. MuD und JMCCV bilden auch das Punktrio „Ernsthafte Angelegenheiten“.

Camilla Wills

Camilla Wills ist eine Künstlerin und Herausgeberin, die in Brüssel lebt. Gruppen- und Einzelausstellungen u.a. in Gaudel de Stampa Paris (2018); Montague London (2018); Chapter New York (2017); Tonus project space Paris (2017); Kunsthal Aarhus DK (2016). Seit kurzen ist sie für Sozialwissenschaften an der Université Libre de Bruxelles eingeschrieben. Zuletzt hat sie über zeitgenössische Repräsentationen von Verlust, dem „meta-describer“, Medien und Co-Leiden für May Revue und Immixtion press Marseille geschrieben. Sie wird ab September 2018 Resident im Camden Arts Centre London sein.

KuratorInnen
Marie-France Rafael

Marie-France Rafael ist promovierte Kunsthistorikerin. Sie studierte Kunstgeschichte und Filmwissenschaften in Berlin und Paris. Von 2011 bis 2014 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Sonderforschungsbereich 626 „Ästhetische Erfahrung im Zeichen der Entgrenzung der Künste“ der Freien Universität Berlin. Zurzeit ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Muthesius Kunsthochschule im Bereich Raumstrategien und lehrt regelmäßig an der Kunstakademie Münster. Kürzlich erschien ihre Monographie „Reisen ins Imaginativ. Künstlerische Displays und Situationen“ (Köln: Walther König, 2017). Weitere Publikationen umfassen „Ari Benjamin Meyers. Music on Display“ (Köln: Walther König, 2016) und „Pierre Huyghe. On Site“ (Köln: Walther König, 2013).