Intervall: LABYR 1
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LABYR 1. Kuratiert von Gregor Jansen. Visual: KussmannSacher.

Labyr 1

IM DENKRAUM LABYR

Zum neuen Möglichkeitsfeld der Kunst im Hochbunker

Ein Text von Gregor Jansen

 

Vergegenwärtigt man sich das Leben in unserer heutigen Welt, leuchtet ein neuer Realismus am Firmament der Postmoderne auf und scheint dieser den Rang streitig zu machen. Wenn die Welt wieder aus objektiven Realitäten zusammengesetzt ist, als analoge Wirklichkeit und Wahrheit, gibt es wieder Interessen und diese schaffen Tatsachen. Die Dekonstruktion der letzten vierzig Jahre (er)findet sich neu und man versucht, der pluralistischen Beliebigkeitsfalle zu entkommen. Es gibt sie zwar nicht mehr, "die Welt", jedoch lassen sich in ihren Ausschnitten durchaus Wahrheiten erkennen. Im postmodernen "Flohzirkus der Zeichen" war nur das der Fall, was die Wissenschaft sagte, heute jedoch lässt sich ein neuer Realismus in neuen Sinnfeldern erkennen und aufzeigen, der ein neues Reden über die Dinge erwirkt, aus dem letztlich ein anleitendes Handeln resultiert.

Diese – seit nunmehr drei Jahren – diskutierte neue Philosophie bildete auch den Hintergrund für die Suche nach dem Nutzungskonzept für den Ausstellungsraum im Hochbunker in der Münchner Ungererstraße. Zwischen White Cube und Büronutzung angelegt, verlangte das Gebäude nach einer neuen realistischen Heran­gehensweise. Der während des Krieges 1943 errichtete Bunker sollte der Bevölkerung inmitten des Furors Schutz bieten, heute ist er dieser Funktion als Büro­ und Wohngebäude zeitgemäß enthoben und zum qua­litätsvollen Arbeits­- und Lebensraum transformiert. Mit seiner Historie als Schutzraum in einem heute völlig veränderten, urbanen und sozialen Gefüge ist er außerdem Denkraum und somit Denkmal für einen den Heraus­forderungen moderner Lebensgestaltung verpflichteten Eigentümer. Stefan F. Höglmaier ist mit dem Anspruch seiner Architekturkultur­-Projekte in München und Berlin dem Besonderen auf der Spur. Nicht von ungefähr wurde daher für die Entwicklung einer Ausstellungsreihe im Erdgeschoss, dem ehemaligen Sanitätsraum des Hochbunkers, der Titel LABYR gewählt.

 

Labyr ist ein zwischen Labor und Labyrinth angesiedelter Terminus, der in den 1960er Jahren entwickelt wurde aus einer mit André Thomkins, den Architekten Eckhard Schulze­-Fielitz und Erich Schneider-Wessling (und dem Galeristen Rudolf Zwirner) von Carlheinz Caspari (* 1921) errichteten Gedankenstruktur, einem Gedanken­raum oder einer Gedankenfigur. Theorie und Praxis aus Kunst, Architektur, Urbanismus, Experiment, Utopie spielen mit hinein und es bleibt ein vages und offenes Gebilde, das sehr treffend die Möglichkeitsräume heu­tigen pluralistischen Denkens und die Philosophie des Neuen Realismus umschreibt. (...)

 

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